Über Einzigartigkeit und innerer Wert
- Z.W
- 16. Nov. 2024
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Jan.

©2024 I.F.
Heute gingen mir so viele Fragen durch den Kopf, dass ich nicht wusste, welche ich ihm stellen sollte. Vielleicht sollte ich mich bei diesen außergewöhnlichen Begegnungen anders verhalten als in meinem alltäglichen Leben. Vielleicht sollte ich weniger nachdenken und analysieren, sondern einfach meinem ersten Impuls folgen.
In meinem Leben bin ich ein sehr ungeduldiger und leistungsorientierter Mensch. Oft messe ich meinen Selbstwert an den Leistungen, die ich erbringe. Eigentlich würde ich diese tief in mir verankerten Glaubenssätze, die seit meiner Kindheit bestehen, gerne auflösen und den Moment einfach genießen. Im Hier und Jetzt leben.
Meine Kindheit und Jugend waren geprägt von Leistungsdruck. Priorität Nummer eins war immer, ein Ziel vor Augen zu haben und es mit aller Kraft, ungeachtet der Mühe, harter Arbeit oder des Verzichts, zu erreichen. Als Kind stellte ich die Ziele nie in Frage. Lohnt es sich wirklich, alles zu opfern, um dieses Ziel zu erreichen? Ist das wirklich das, was ich will?
Wir orientieren uns als Kinder und Jugendliche an dem, was uns vorgelebt wird, oder folgenden Überzeugungen anderer Menschen – ob Elternhaus, Lehrer oder Gesellschaft. Es sind alle Vorbilder, und wir sind überzeugt davon, dass sie alles besser wissen als wir selbst. Natürlich möchten unsere Eltern uns als Kinder schützen und uns unnötige negative Erfahrungen ersparen, sie meinen es gut mit uns.
Es ist aber genauso wichtig, die eigene Identität der Kinder zu respektieren und ihnen zu erlauben, ihre Flügel auszubreiten, ihren persönlichen Weg zu gehen und eigene Lebenserfahrungen zu sammeln. Ich bin selbst Mutter und weiß nur zu gut, wie schwer es ist, zusehen zu müssen, wie die eigenen Kinder enttäuscht, emotional verletzt oder traurig sind. Ich versuchte zu oft, mit aufdringlichen Ratschlägen ihren Weg zu erleichtern, aber letztendlich haben sie am meisten aus eigenen Erfahrungen gelernt.
Mit 18 folgte ich gehorsam dem Ziel, das meine Familie für mich ausgesucht hatte, nur um Jahre später festzustellen, dass es nicht mein Ziel war. Dementsprechend erreichte ich weder ihr noch mein Ziel. Um meinem eigenen Ziel zu folgen, war es zu spät, und ihr Ziel war keine Option für mich. Das finale Ergebnis: Ich war enttäuscht, und meine Familie auch.
Diese Erfahrung hatte einen großen Einfluss auf mich, und wenn ich etwas genau wusste, dann war es, dass ich meine Kinder nie in eine starre Richtung drängen würde. Ich war und bin überzeugt, dass man als Elternteil alles tun muss, um sein Kind zu unterstützen – aber im Rahmen dessen, was sich dieser junge Mensch für sein Leben selbst wünscht.
Es war mir immer sehr wichtig, keinen Druck auf meine Kinder auszuüben. Sie sollen ihre eigenen Träume verfolgen, ihren eigenen Weg gehen. Sie sollen wissen, dass ich sie liebe für das, was sie sind, und nicht für das, was sie leisten. Ob ich das geschafft habe, können nur sie sagen. Ich habe bestimmt auch Fehler gemacht.
Diese Gedanken gingen mir ständig durch den Kopf an diesem Tag. In den letzten Wochen wurde mir klar, dass die Stimmung meiner Tochter alles andere als gut war und sie sehr traurig war. Ich vermutete, dass die Ursache ihrer Traurigkeit in der Trennung von ihrem Freund lag, war mir aber nicht sicher, ob das der einzige Grund war.
Natürlich versuchte ich, mit ihr zu reden, aber von ihrer Seite war die Bereitschaft dazu nicht wirklich vorhanden. Da sie ein junger Erwachsener ist, war mir bewusst, dass meine Ratschläge zwar gehört, aber nicht unbedingt angenommen werden.
Um auf den Punkt zu kommen: An diesem Tag war ich wirklich besorgt um sie und erwartete, dass meine Begegnung mit Gott nicht so einfach sein würde, da ich alles andere als entspannt oder ruhig war. Ich nahm mein Notizbuch, versuchte, meinen wachen Verstand zur Ruhe zu bringen, die Gedanken loszulassen und wartete gespannt darauf, was sich vor meinem inneren Auge abspielen würde.
Ich sah ihn. Er lief auf dem Feldweg in meine Richtung. Heute war er in einem warmen, strahlenden Licht gehüllt. Seine Gestalt erstrahlte in einem intensiven und angenehmen Licht. Eine Aura aus goldgelbem Licht umgab ihn. Ich war überrascht. An seine Kleidung der vergangenen Tage konnte ich mich nicht erinnern. Sie war irgendwie nicht von Belang. Wenn ich an die Tage zuvor zurückdenke, ist mir sehr deutlich, dass ich sein Aussehen gar nicht beschreiben kann. Es sind nicht die Gesichtszüge, oder seine Gestalt, die mich wissen ließen, wer er ist. Ich wusste es einfach. Seine Präsenz enthielt alle Informationen, die nötig waren. Es waren nicht meine visuellen Fähigkeiten, die mir halfen, ihn zu erkennen. Ich spürte seine Präsenz. Seine Energie beinhaltete alles – seinen Charakter, seine Gedanken und Intentionen. Eine gänzliche Transparenz dessen, was er ist. Dieses Erschließen ist eine viel umfassendere Wahrnehmung als alle unsere fünf Sinne zusammen. Innerhalb eines Moments übermittelte mir seine Präsenz sämtliche Informationen über sich. Das war der Grund, warum mir bis heute nicht aufgefallen war, dass ich ihn nicht als Gestalt, sondern als Anwesenheit wahrgenommen hatte.
Wir trafen uns etwa auf Höhe des Baumes, und ich erwartete, dass wir uns dort hinsetzen würden. Stattdessen lief er den Weg weiter in die Richtung, aus der ich gekommen war. Neugierig und ein wenig irritiert folgte ich ihm. „Oh je“, dachte ich, „das ist der Weg zurück in die Welt. Will er wirklich dorthin gehen?“ Je weiter wir liefen, desto dunkler wurde es um uns herum. Mein einziger Gedanke war: Wir laufen in die falsche Richtung. Das ist der Weg, auf dem ich gekommen bin. Was will er dort?
„Ich bringe Licht in die Welt, und so dunkel, wie du es glaubst, ist sie nicht“, sagte er. Ich wusste, dass er meine Gedanken kannte. „Sorge dich nicht um mich. Ich weiß, was dort los ist. Ich war dort. Ich kenne es.“
Wir liefen weiter, seine Gestalt wirkte wie eine gigantische Taschenlampe – die leistungsstärkste Taschenlampe der Welt. Der Weg vor uns war jetzt hell erleuchtet. Links und rechts sah es aus wie in den Abendstunden, vor uns war der Feldweg Weiß-gold beleuchtet.
Er zeigte nach links und sagte: „Schau da, sie sitzt dort und weiß nicht wohin.“
Ich sah eine junge Frau auf dem Boden des Feldwegs sitzen und wusste sofort, wer es war, ohne ihr Gesicht zu sehen. Es war meine Tochter!
„Ich liebe sie von ganzem Herzen“, sagte er. „Sag ihr das. Sie kann mich nicht hören, aber sie muss es wissen“, sprach er weiter. „Der Weg ist da, das Licht auch. Und sie ist niemals alleine.“
Er wies noch einmal in ihre Richtung. „Siehst du die zwei Engel bei ihr?“
Als er das aussprach, erblickte ich augenblicklich zwei Lichtwesen links und rechts neben ihr. Es waren zwei strahlende Energiegestalten, leuchtend weiß aus einer beinahe durchsichtigen Essenz. Ich erkannte keine Gesichtszüge, nahm aber eines männlich und das andere weiblich wahr. Sie waren sehr groß, wirkten doppelt so groß wie wir Menschen. Einer streichelte meiner Tochter über das Gesicht, der andere hatte seine Arme um ihre Schultern gelegt und hob sie mühelos hoch.
„Sag ihr, dass sie geliebt ist, dass sie selbst Liebe ist. Sag ihr, dass sie gut genug ist und dass sie ihren Weg gehen kann und soll. Sie ist nie allein.“
Ich war bewegter und gerührter als bei jedem anderen Treffen zuvor. Es ging hier um meine Tochter, und mein Mutterherz war besorgt! Ich sah, dass es ihr nicht gut ging. Sie stand jetzt am Rande des Feldwegs, wirkte aber ziemlich wackelig auf den Beinen. Und glücklich sah sie auch nicht aus, eher verwirrt und müde.
Ich wusste, dass sie zurzeit Liebeskummer hatte und ziemlich orientierungslos war, aber jetzt, da ich sie aus dieser Perspektive betrachtete, kamen mir die Tränen.
Nach eine kurze Weile begann ich mich langsam zu beruhigen. Ich sah ganz deutlich, dass sie nicht alleine war. Die zwei Lichtwesen waren die ganze Zeit bei ihr.
Er sprach weiter zu mir: „Sie empfindet ihren Weg als zu schwer und fühlt sich erschöpft, verunsichert, ziellos und einsam, aber das ist nicht die Wahrheit. Ich liebe sie nicht weniger, weil sie sich verloren fühlt. Ich finde sie immer, überall, wo sie sich befindet. Für mich ist sie nie verloren oder weniger wert. Sie ist mit einer Aufgabe in dieses Leben gekommen, und um diese Aufgabe zu erfüllen, ist sie perfekt gewappnet. All das, was sie an sich nicht gut findet, ist genau abgestimmt und perfekt, so wie es ist. Dir habe ich schon gesagt: Ihr seid alle perfekt gemacht. Ihr besitzt alles, was nötig ist, um die Aufgabe eures Lebens zu bewältigen. Der Rucksack, den ihr mit euch tragt, hat alles drin, was nötig ist. Ihr seid perfekt ausgerüstet. Ihr glaubt, dass manche eurer Charakterzüge oder euer Aussehen nicht perfekt sind. Perfekt für was? Für eure Moralprinzipien, für das, was ihr für normal haltet? Es gibt ganz verschiedene Lebensaufgaben, und ihr braucht verschiedene Werkzeuge, um diese zu bewältigen. Manche von euch sind extrovertiert, andere das Gegenteil. Manche haben ein perfektes Aussehen, andere nicht, manche sind superreich, und andere haben nicht genug zum Essen. Einige sind sehr klug, und andere haben keinen Zugang zur Bildung. Der Reiche ist nicht besser als der Arme. Sie haben verschiedene Aufgaben in diesem Leben, und die Aufgabe des reichen Mannes kann oft schwieriger sein als die des Armen. Urteilt nicht über die anderen, denn was ihr als ‚die Norm‘ betrachtet, ist nicht meine Norm, die wahre Norm. Darüber reden wir ein anderes Mal nochmal.
Ich werde dir mehr darüber erzählen, denn es ist sehr wichtig, dass ihr das versteht. Du wirst sehen, wenn du es verstanden hast, macht alles einen Sinn.
„Jetzt zurück zu ihr“, sagte er. „Sag ihr, wenn sie die endlose Liebe und Fürsorge erkennt, die um sie ist, dann verschwinden die Angst und die Einsamkeit und sie ihrer Einzigartigkeit und innerer Wert erkennt. Die Angst kommt nicht von mir. In der Liebe gibt es keine Angst. Und alleine seid ihr auch nie".
"Wenn sie ihre Einzigartigkeit und die Perfektion, die in ihr steckt, erkennt, dann wird alles leicht und hoffnungsvoll. Schau dir die zwei Engel bei ihr an. Sie sind nur für sie da, für keinen anderen Menschen. Jeder von euch hat seine persönlichen Engel. Ohne Ausnahme.“
Er machte ein paar Schritte in ihre Richtung und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Ich schaute meine Tochter weiter an.
Sie muss noch so viel lernen und viele Stolpersteine überwinden, dachte ich, und ich muss ihr wirklich ein paar wichtige Dinge sagen. Ich fragte mich, ob sie mir zurzeit, in ihrem jungen Alter und getränkt in Liebeskummer, zuhören würde. Aber ich war mir sicher, dass es fürs Erste genug wäre, wenn sie wenigstens einen Bruchteil der Liebe, die ihr zusteht, annehmen würde. Ich nahm mir vor, ihr ganz vorsichtig und langsam zu erzählen, wie geliebt, geschützt und wertvoll sie ist.
©2024 Z.A. Westerwald
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